Vettweißer Land
Von den Nordhängen durch die weiten, fruchtbaren Ackerbreiten der Börde bis zum Neffeltal und darüber hinaus zur östlichen und südöstlichen Kreisgrenze erstreckt sich das Vettweißer Land als Teil der großräumigen niederrheinischen Tiefebene.
Es ist ein Land von herber Schönheit. Wer dieses Land erwandert oder statt des schnellen Autos das Fahrrad nimmt, wird zu allen Jahreszeiten hier auf dem "platten" Land unerwartete Überraschungen finden. Weit ins Land ragen in der Ebene die hohen Türme der alten Dorfkirchen. Feste Burgen und Herrensitze, behäbige Bauernhöfe, Kapellen und Heiligenhäuschen lockern das Bild der zunächst eintönig erscheinenden Region. Kirchen und Burgen, als Bauwerke schon kunsthistorisch wertvoll, bVon den Nordhängen durch die weiten, fruchtbaren Ackerbreiten der Börde bis zum Neffeltal und darüber hinaus zur östlichen und südöstlichen Kreisgrenze erstreckt sich das Vettweißer Land als Teil der großräumigen niederrheinischen Tiefebene.ergen Schätze an sakraler und profaner Kunst aus fast einem Jahrtausend.
Die Landschaft ist abwechslungsreich, auch in der tischeben erscheinenden Börde, die zunächst den Eindruck einer für den Weizen- und Zuckerrübenanbau ausgerodeten Kultursteppe zu machen scheint. In der Ebene, wo der Horizont so weit scheint, finden sich Baumgruppen, kleine Waldungen, spärliche Wasserläufe und ein reicher Bestand an Niederwild. Besonders reizvoll ist der ca. 350 m breite Streifen des Landschaftsschutzgebietes Neffelbachaue mit seinen grünen Wiesen, seinem Baumbestand und seinen vielen Vogelarten.
Die Menschen hier lieben ihr Land. Viele von ihnen weisen mit Stolz auf die jahrhundertelange Präsenz ihrer Familien hin. Generationen ihrer Vorfahren haben hier gelebt und gearbeitet. In einigen Häusern werden Aufzeichnungen über Ereignisse früherer Jahrhunderte aufbewahrt oder haben sich in der mündlichen Überlieferung erhalten.
Auch die nach dem Zweiten Weltkrieg hierhin gekommenen Vertriebenen und Flüchtinge haben Wurzeln geschlagen und eine Heimat gefunden.
Das Vettweißer Land ist eine interessante, traditionsreiche Region voller historischer Vergangenheit und blühender Lebenskraft.
Lage und Landschaft
Die Gemeinde Vettweiß liegt im Südosten des Kreises Düren und grenzt dort an die Kreise Euskirchen und Erftkreis, im Südwesten und Westen an die Gemeinden Nideggen und Kreuzau, im Norden an die Grenzen von Nörvenich.
Die Ortsteile Disternich, Froitzheim, Ginnick, Gladbach, Jakobwüllesheim, Kelz, Lüxheim, Müddersheim, Sievernich, Soller und die Wohnplätze Frangenheim, Kettenheim und Mersheim liegen fast kreisförmig um den Zentralort Vettweiß herum. Es ist eine interessant gegliederte Landschaft, in die diese Dörfer eingebettet sind. An den Abhängen der Nordeifel liegen Soller, Frangenheim und Ginnick. Froitzheim gehört mit Jakobwüllesheim, Kelz, Vettweiß und Kettenheim zu den Dörfern, die als grüne Inseln markante Punkte in den fruchtbaren Äckern der Börde sind. Im rund 350 m breiten Grünstreifen des Landschaftsschutzgebietes Neffelbachaue liegen Sievernich, Disternich, Müddersheim, Gladbach und Lüxheim. In der Nordsüdausdehnung beträgt die Entfernung von der Gemarkungsgrenze Frauwüllesheim - Kelz bis zu den Ausläufern des Wollersheimer Stufenländchens an den Grenzen Muldenau/Embken - Ginnick 11 km, von der östlichen Kreisgrenze bei Soller - Drove sind es 12,8 km. Von der Höhe bei Ginnick -westlich des Wasserturmes werden 231m NN gemessen - kann man bei klarem Wetter weit ins Vettweißer Land und darüber hinaus sehen. Nordöstlich von diesem Standpunkt liegt der Vettweißer Busch, mit 125 ha das größte zusammenhängende Waldgebiet der Region. Eine auffällige Linie zieht der von Baumanpflanzungen und Wiesen begleitete Neffelbach von Süden nach Norden in das dort bis auf etwa 120 in NN sanft abfallende Gelände.
Hinter dieser Linie liegen noch zwei kleine Waldungen, das Disternicher Marienholz und der Große Busch mit dem Regensbusch, der bis an die östliche Ortslage von Müddersheim reicht. Begrenzt wird der Blick in die weite Ebene im Osten von den Höhen der Ville, nach Norden verliert er sich in der unendlich scheinenden Börde.
Die Besiedlung des Landes
Die archäologische Forschung liefert für unsere Region ein Bild der Besiedlung von der Vorzeit an, das ständig durch weitere Erkenntnisse verbessert wird. Unter den in der letzten Eiszeit angewehten gewaltigen Löslehmmengen, die sich zwischen Ville und Nordeifel nach unvorstellbaren Erdbewegungen ablagerten, müssen die Kulturreste der Jäger, Fischer und Sammler liegen, die vor dieser Zeit unser Land durchstreiften. Bisher ist nur ein einziger Anhaltspunkt dieser vermutlich ältesten Bewohner des Kreises Düren im Neffelbachtal gefunden worden.
Aus der Zeit von etwa 1.200 v. Chr. sind dann Lagerplätze von Menschen bei Lüxheim bekannt, die immer noch auf der Suche nach Nahrung umherzogen. Um 4.000 vor der Zeitrechnung wurden diese Jäger und Sammler sesshaft und erwarben ihren Lebensunterhalt durch Landbestellung und Haustierhaltung. Von dieser Zeit an verdichten sich die Belege über die Besiedlung der gesamten Region in Form von Funden aus den verschiedenen Perioden der Stein- und Metallzeiten. Ein besonders reiches Betätigungsfeld für die Erforschung der Vorzeit fanden die Archäologen bei Müddersheim, wo umfangreiche Ausgrabungen in den Jahren 1956 bis 1959 bedeutende Erkenntnisse über das Leben der Brandkeramiker und der Rössenerkultur (etwa 4.500 - 3.500 v. Chr.) brachten.
Immer deutlicher wird unser Bild dieser frühen Zeiten durch Aufschlüsse über Menschen, die Bronze und Eisen zu Werkzeugen und Waffen verarbeiteten, ganz besonders aber aus der Römerzeit. Die über vierhundertjährige Anwesenheit der auf allen Gebieten hochentwickelten Römer im linksrheinischen Raum und in fast allen Ortsteilen der Gemeinde Vettweiß, ist unübersehbar.
Siedlungsplätze, Wasserleitungen, Gräber, Straßen können hier genannt werden. Besonders dicht besiedelt muss das östliche Gemeindegebiet gewesen sein. Die Fundkarten zeigen östlich von Kelz und im Neffelbachraum die meisten Belege an. Aber auch zwischen Vettweiß und Froitzheim und in den Dörfern entlang der Bundesstraße 56 sind zahlreiche Römersiedlungen nachgewiesen.
Unser Land scheint geradezu mit römischen Gutshöfen übersät gewesen zu sein. Der fruchtbare Boden war wohl eine Kornkammer für die über das ganze Gebiet verteilten römischen Streikräfte und die Städte, insbesondere Köln, das über die gut ausgebauten Militär- und Handelsstraßen leicht erreichbar war. Dieses blühende Land wurde schon von der Mitte des dritten Jahrhunderts an von Volksstämmen aus dem rechtsrheinischen Germanien überfallen, deren sich die Römer zuletzt nur noch durch die Hilfe von unter Vertrag genommener germanischer Hilfstruppen erwehren konnten, denen man Siedlungs- und Lebensraum bot.
Der als Franken bezeichnete Stammesbund rechtsrheinisch beheimateter Völkerschaften war um 450 n. Chr. so stark geworden, dass er die Römer aus unserem Gebiet völlig vertreiben konnte. Zu den bereits hier ansässigen Germanen kamen nun die verwandten fränkischen Bauern-Krieger, die als Neusiedler, besonders aber als die Sieger jahrzehntelanger Kämpfe, das Land in Besitz nahmen. Damit brach für unsere Region ein neuer Zeitabschnitt an, ein Neubeginn auf allen Gebieten des menschlichen Lebens, ein Rückfall allerdings auf vielen Gebieten, z.B. technischer, architektonischer, wirtschaftlicher und kultureller Art. Jetzt wurden auch die Grundsteine für die mittelalterlichen Siedlungsplätze in Dörfern gelegt, die heute noch bestehen. Viele der heutigen Orte können von der Forschung auf Grund ihrer Namen auf römischen oder fränkischen Ursprung bestimmt werden. Die auf die Silbe "...ich" endenden Ortsnamen deuten vielleicht auf ein Weiterleben römischer Restbevölkerung neben den Franken hin. Die Orts- und Hofnamen mit "...heim" -Endung sind ursprünglich fränkische Siedlungen, die somit rund 1.500 Jahre bewohnt sein dürften. Für das Vettweißer Land sind das Froitzheim, Jakobwüllesheim, Kettenheim, Lüxheim, Mersheim, Müddersheim, Veitzheim und Frangenheim. Ob mit "Frangen" noch besonders auf die Franken hingewiesen wird, ist umstritten.
Seit der fränkischen Besiedelung ist kein anderer Volksstamm mehr in unserem Gebiet seßhaft geworden. Wir sind also Nachkommen dieses Volkes, das sein Herrschaftsgebiet weit nach Westen und Südwesten ausdehnen konnte.
Vom Reich der Franken zum Herzogtum Jülich
Die Franken schlossen sich bald zum Reich der Francia rhinensis zusammen, das aber schon zu Beginn des 6. Jahrhunderts im Merowingerreich aufging. Jetzt entstand bei uns das Herzogtum Ribuarensien mit dem Hauptort Köln und den verschiedenen Gauen, aus denen sich später Grafschaften entwickelten. Die Dörfer unserer Gemeinde gehörten mit vielen anderen der Nachbarschaft zum Zülpichgau.
Von den fränkischen Merowingern bis zum Frankenreich Karls des Großen und dem Heiligen römischen Reich deutscher Nation waren es jetzt nur noch wenige Schritte, die allerdings von blutigen Kriegen begleitet waren.
Die politische Entwicklung im Laufe der Jahrhunderte führte zum Herzogtum Jülich, dem unsere Orte im Rahmen der Ämter Nideggen und Nörvenich zugehörten. Einzige Ausnahme war Müddersheim, das als Herrschaft im Amt Lechenich dem Kurfürstentum Köln unterstand. Diese Ordnungen mit ihren Unterteilungen in Gerichte und Unterherrschaften bestanden bis zum Anbruch der neuen Zeit, die die französischen Revolutionstruppen zum Ende des 18.Jahrhunderts brachten. Die Entwicklung verlief allerdings nicht so problemlos, wie sie in der gebotenen Kürze geschildert werden kann.
Die von den in geistlichem und adeligem Besitz stehenden Gutshöfe und Burgen berühmter rheinischer Adelshäuser ausgehenden Impulse haben wesentlichen Anteil an diesem Entwicklungsprozeß gehabt.
Zur ersten geschriebenen Geschichte und zur Christianisierung
Schon vor der Jahrtausendwende tauchen erste schriftliche Nachrichten bzw. bloße Erwähnungen der Ortsnamen auf. Es sind in der Regel Nachrichten, die mit kirchlichen Verhältnissen in Zusammenhang stehen. Das ergibt sich allein schon aus der Tatsache, dass Kirchen und Klöster bei der Gestaltung und Prägung unseres Lebensraumes ganz nachhaltige Funktionen ausübten, nicht zuletzt aber auch daraus, dass sie das Wissen und die Mittel hatten, sich schriftlich auszudrücken. Eng mit den kirchlichen Verhältnissen verbunden waren die adeligen Häuser, die mit den Kirchen bei Schenkungen, Kaufverträgen, Stiftungen usw. verhandelten, aus denen sich aber auch zum größten Teil der Nachwuchs für Klerus und Klöster rekrutierte.
Nach einer umstrittenen Urkunde aus dem Jahre 889 wird die Kirche in Froitzheim von dem deutschen König Arnulf von Kärnten an das Bistum Osnabrück geschenkt. Die Abtei Prüm hatte schon im Jahre 893 Einkünfte in Sievernich. Gladbach und Lüxheim werden 922 schriftlich erwähnt. 931 schenkt der Kölner Erzbischof Wichfried dem St. Ursula Stift in Köln die Kirche und Ländereien in Kelz. Ob das in der gleichen Urkunde genannte Wulesheim Jakob- oder Frauwüllesheim meint, ist nicht geklärt. Mersheim wird 942 und Soller 989 bei Schenkungen an die Kölner Abtei Groß St. Martin genannt. Im nächsten Jahrhundert sind es Müddersheim 1057 und Vettweiß 1059, die in Schenkungen an Klöster erscheinen. Auch Kettenheim und Frangenheim sind schon im 11. Jahrhundert, 1072 bzw. 1099, in Urkunden zu finden.
Diese nüchternen Jahreszahlen sagen zunächst nicht viel aus. Sie beweisen aber die Existenz der genannten Orte, die sicherlich schon lange vor diesen Daten bestanden und christliche Einwohner hatten.
Schon in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung haben römische Legionäre das Christentum über die Alpen gebracht. Hier kann an den Patron der Pfarre Vettweiß, den hl. Gereon, erinnert werden. Als Anführer einer Abteilung der Thebäischen Legion verweigerte er als gläubiger Christ mit seinen Soldaten die Verfolgung von Glaubensgenossen und wurde um 300 in Köln erschlagen. Aber erst im 6. und 7. Jahrhundert, als iroschottische Mönche unseren Landstrich missionierten, setzte sich das Christentum endgültig durch.
Erste Pfarrgründungen und Kirchenbauten können für die Zeit um 900 angesetzt werden. Da es bisher keine exakten archäologischen oder schriftlichen Anhaltspunkte gibt, ist man auf erprobte Vermutungen angewiesen, z.B. die Ableitung von den Patrozinien. Der als Patron der Franken besonders hoch verehrte hl. Martin, aber auch andere westfränkische Heilige, wie Amandus, der mit seinem mächtigen Schwert den kriegerischen Franken imponierende Michael, vom 10. Jahrhundert an auch die heiligen Gangolfus und Johannes der Täufer lassen als Schutzpatron auf frühere Kirchengründungen schließen. So darf man für die Pfarren in Froitzheim, Müddersheim, Kelz und Sievernich auf Grund der Patrozinien annehmen, dass sie vor dem Jahr 925 gegründet wurden.
Historische Straßen
Zwei historische Straßen von einst großer Bedeutung durchziehen unsere Gemarkungen. Die ältere ist die von den Römern angelegte Militär- und Handelsstraße, die ihren ungefähren Verlauf mit der heutigen Bundesstraße 477 gemeinsam hat. Sie führte von Neuß nach Zülpich, im Volksmund heißt sie heute noch in den Dörfern am Neffelbach "Heerweg". Sie lief geradlinig durch unsere Gemeinde und berührte Lüxheim, Gladbach, Mersheim und Dirlau. Müddersheim, Disternich und Sievernich sind sicherlich von ihr beeinflußt worden. Die Straße mündete ins Zülpicher Bachtor, von wo sie Anschlüsse an die römischen Fernstraßen nach Köln, Trier und Reims hatten. Eine Anzahl von untergeordneten römischen Straßen, Gemeindeverbindungsstraßen würde man heute sagen, sind untergegangen und kaum noch bekannt.
Von Osten kam die Aachen - Frankfurter Krönungsstraße bei Sievernich in die Gemeinde Vettweiß. Sie lief durch Sievernich nach Westen, nördlich von Dirlau, Kettenheim und Jakobwüllesheim vorbei in die Gemarkung Binsfeld. Die wohl in der Mitte des 8. Jahrhunderts von den Franken angelegte Straße ist von den deutschen Königen auf dem Weg zur Krönung nach Aachen jahrhundertelang benutzt worden. Sie hat aber auch die unzähligen Pilger aus aller Herren Länder gesehen, die zu den Wallfahrtsorten Düren, Aachen, Maastricht und weiter im Westen unterwegs waren.
Die Aachen - Frankfurter Krönungsstraße war auch ein Teilstück der großen niederländisch-italienischen Straße, die von Flandern kommend über Aachen und Düren, durch unsere Feldgemarkungen weiter nach Frankfurt oder nach Oberitalien ging.
Die Verkehrsverhältnisse des vergangenen Jahrhunderts, besonders der Eisenbahnbau, haben diese früher so wichtige Straße zum unbedeutenden Feldweg werden lassen, der durch einige Flurbereinigungen in den letzten Jahrzehnten fast völlig beseitigt worden ist.
Aus spätmittelalterlicher und neuerer Zeit kam ein Fahrweg vom Süden aus Richtung Heimbach in unsere Gemeinde, der östlich nach Köln verlief und in alten Flurkarten als "Kohlstraße" bezeichnet ist. Eine weitere Kohlstraße kam von Westen in die Gemarkung Kelz und ging dann von der Simonshardt über Kelz, Gladbach ebenfalls nach Köln. Auf beiden Straßen wurden noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts Kohlen transportiert. Die von Süden kommenden pferdebespannten Karren hatten Holzkohle aus den Meilern der Eifelwälder geladen, die von Westen fuhren Steinkohle aus der Gegend von Eschweiler an der Inde. An der Gemarkungsgrenze Binsfeld - Kelz erinnern noch zwei stark beschädigte Unfallkreuze an die schwere Arbeit der damaligen Kutscher, die "Fernfahrer" ihrer Zeit.
Die Franzosenzeit
In den ersten Oktobertagen des Jahres 1794 marschierten die französischen Revolutionstruppen unter General Marceau in das Dürener Land ein. Damit änderten sich schlagartig alle bisherigen staatlichen und kirchlichen Verhältnisse unserer Heimat mit ganz entscheidenden Umwälzungen für das Leben unserer Vor-
fahren.
Die fremden Soldaten brachten den Freiheitsbaum mit der Jacobinermütze in alle Dörfer und verkündeten unter ihm die Parolen von Gleichheit, Freiheit und Brüderlichkeit. Nach anfänglichen Übergriffen, z.B. Requirierungen, Dienstverpflichtungen, Kirchenschändungen, folgten bald geordnete Verhältnisse. Aus den Untertanen der alten Zeit wurden freie Staatsbürger, die es zu bisher nicht gekanntem Wohlstand brachten, als die Verpflichtung gegenüber Adel und Kirche aufgehoben, ihnen ein Recht auf Eigentum zuerkannt und freie Entfaltung im Berufsleben ermöglicht wurde.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das gesamte linksrheinische Land dem französischen Staat einverleibt und nach französischem Vorbild gegliedert.
Direkt betroffen wurden unsere Dörfer u.a. durch den völlig neuen Aufbau der Verwaltung, die auf unterer Ebene in Mairien (Bürgermeistereien) eingeteilt wurden, die den Kantonen, Kreisen und Arrondissements (Regierungsbezirken) unterstanden.
Die erste "kommunale Neugliederung" sah für unsere Dörfer so aus:
Frangenheim, Froitzheim, Kettenheim und Vettweiß bildeten die Mairie Froitzheim;
Jakobwüllesheim, Soller und Veitzheim gehörten zur Mairie Drove;
Gladbach Kelz und Lüxheim wurden zur Mairie Kelz und
Disternich, Müddersheim und Sievernich mit Dirlau zur Mairie Sievernich zusammengeschlossen. Alle Bürgermeistereien gehörten zum Kanton Froitzheim, dessen Hauptort im Jahre 1803 nur 354 Einwohner zählte. Zu diesem Kanton gehörten rund 30 Gemeinden im Süden und Südosten des heutigen Kreises Düren und über dessen Grenzen hinaus.
Bürgermeistereien, Amt, Gemeinde
Die französischen Bürgermeisterei-Verwaltungen hatten sich bewährt, sie wurden vom Königreich Preußen, dessen Krone unsere Heimat nach dem Wiener Kongreß zufiel, beibehalten. Nur der Kanton Froitzheim ging zum größten Teil im Kreis Düren auf, dem unsere Dörfer seit 1816 angehören.
Erst 1932 wurden die alten Bürgermeistereien aufgelöst, die Dörfer selbständige Gemeinden mit eigenem Rat, die sich zu einem Amtsverband zusammenschlossen. Durch Erlaß des preußischen Ministers des Innern vom 13.09.1932 wurde mit Wirkung vom 01.10.1932 die Zusammenlegung einer Reihe rheinischwestfälischer Bürgermeistereien verfügt. "Diese Ämterzusammenlegung ist im Einvernehmen mit den zuständigen Bezirksausschüssen und im wesentlichen auch im Einverständnis mit den Vertretungskörperschaften der beteiligten Kreise, Ämter und Gemeinden erfolgt" schrieb die Dürener Volkszeitung am 22.09.1932. Erschwernisse für die Bevölkerung wurden nicht erwartet, da die Eingliederung im wesentlichen kleinere Ämter und solche betraf, die bereits in Personalunion verwaltet wurden.
Am 23.09.1932 schrieb die Dürener Volkszeitung: "... wie man hört, handelt es sich um die Ämter Froitzheim, Füssenich, Kelz, Sievernich, Wollersheim, Bürvenich, Drove und Stockheim, die zu Ämtern zusammengelegt werden sollen. Nähere Einzelheiten waren bisher nicht zu erfahren." Es spricht wohl etwas für den Zeitgeist, dass die Lokalpresse sieben Tage vor den für tausende Bürger wichtigen. Ereignissen "nähere Einzelheiten" nicht in Erfahrung bringen konnte. Tatsache war, dass am 1. Oktober 1932 das Amt Vettweiß mit den heutigen Ortsteilen sowie mit Geich, Füssenich und Juntersdorf entstand. Erster Amtsbürgermeister - damals die Bezeichnung für den Hauptverwaltungsbeamten wurde Dr. Ferdinand Keill, der sein Büro im Gebäude der ehemaligen Gaststätte Hülden im Vettweißer Unterdorf hatte. Dort war schon das Domizil der aufgelösten Bürgermeisterei Froitzheim gewesen.
Die Gemeinde Vettweiß in jüngster Zeit
Bei der Einbeziehung des Rheinlandes in das preußische Staatsgebiet im Jahre 1815 wurden Gemeinden zu Bürgermeistereien zusammengefaßt. Im Raume des späteren Amtes Vettweiß entstanden damals folgende Bürgermeistereien:
Froitzheim mit den Orten Vettweiß, Kettenheim, Froitzheim, Frangenheim und Ginnick
Kelz mit den Orten Kelz, Gladbach und Lüxheim
Sievernich mit den Orten Sievernich, Disternich und Müddersheim
Füssenich mit den Orten Füssenich, Geich und Juntersdorf
Im Jahre 1932 wurde im Kreis Düren eine Verwaltungsreform durchgeführt. Die Bürgermeistereien Froitzheim, Kelz, Sievernich und Füssenich wurden aufgelöst und zu einem Bürgermeisteramt mit Sitz in Vettweiß zusammengeschlossen. Diesem Bürgermeisteramt wurden außerdem noch die beiden Orte Soller und Jakobwüllesheim aus der ehemaligen Bürgermeisterei Drove zugeteilt. Der Ort Juntersdorf mußte in den Bereich des Bürgermeisteramtes Nideggen abgegeben werden.
Nach dem Kriege wurde das Gemeindeverfassungsrecht nach demokratischen Grundsätzen umgestaltet. Statt "Bürgermeisteramt" hieß es fortan "Amt Vettweiß". 1947 kam der Ort Juntersdorf wieder in den Verwaltungsbezirk Vettweiß zurück und dem Amt Vettweiß gehörten nunmehr 14 Orte an, die alle selbständige Gemeinden waren.
Im November 1966 wurden die Oberkreisdirektoren vom Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen gebeten, Vorschläge für die kommunale Neugliederung der Kreise zu unterbreiten. Ende 1967 wird ein Gutachten über die "Neugliederung der Gemeinden im Landkreis Düren" vorgelegt.
Dieses Gutachten bestätigt dem Amt Vettweiß die mögliche Erfüllung der Grundversorgungsfunktionen für den Nahbeireich der Amtssitzgemeinde Vettweiß, deutet aber auch schon die Orientierung einiger Orte wie Füssenich und Geich in Richtung Zülpich an, wobei jedoch die Ausrichtung auch dieses Raumes zu dem größeren Wirtschaftsraum Düren festgestellt wird. Weiter heißt es in diesem Gutachten: "Das Amt besitzt mit Vettweiß einen Ort von zentralörtlicher Bedeutung einer ländlichen Mittelpunktgemeinde". Dieses Untersuchungsergebnis findet seine Bestätigung in dem von der Landesregierung am 18.11.1966 aufgestellten Landesentwicklungsplan 1, neugefaßt am 17.12.1970. Darin ist Vettweiß als Gemeinde mit zentralörtlicher Bedeutung für einen Versorgungsbereich bis 10.000 Einwohner ausgewiesen.
Durch den sogenannten Teillösungserlaß des Innenministers NW vom 18.12.1967 wurde den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, unabhängig von einer kommunalen Neugliederung ganzer Kreise freiwillige Zusammenschlüsse vom Landesgesetzgeber bestätigen zu lassen. Mit Ausnahme der Gemeinde Geich haben daraufhin im August und September 1968 alle 13 amtsangehörigen Gemeinden Gebietsänderungsverträge mit dem Ziel eines Zusammenschlusses von 3 Gemeinden (Vettweiß, Müddersheim und Füssenich) beschlossen.
Die oben erwähnten Gebietsänderungsverträge der Gemeinden des Amtes Vettweiß wurden schließlich in den Gesetzentwurf zur Neugliederung von Gemeinden des Kreises Düren aufgenommen. Der Landtag verabschiedete dieses Gesetz am 24.06.1969.
Mit dem 1. Juli entstanden die 3 Gemeinden
Vettweiß durch Zusammenschluß der Ortschaften Vettweiß, Froitzheim, Ginnick, Soller, Jakobwüllesheim und Kelz,
Müddersheim durch Zusammenschluß der Ortschaften Lüxheim, Gladbach, Müddersheim, Disternich und Sievernich,
Füssenich durch Zusammenschluß der Ortschaften Füssenich und Juntersdorf und Zuweisung der Ortschaft Geich.
Im Herbst 1969 wurde das Neugliederungsprogramm mit dem Arbeitstitel "Raum Aachen" in Angriff genommen. Als Abgrenzung dieses Neugliederungsgebietes bestimmte der Innenminister NW den Regierungsbezirk Aachen und den Kreis Euskirchen.
Im September 1970 hatte die Arbeitsgruppe des lnnenministeriums ihre Vorstellungen zur Neugliederung des Raumes Aachen entwickelt. Danach sollte die Gemeinde Füssenich der Stadt Zülpich zugeordnet werden. Diese Zuordnungsabsicht war in der Folgezeit heftig umstritten. Trotz Mehrheitsentscheidung im Rat der Gemeinde Füssenich für einen Verbleib im Bereich Vettweiß und damit auch im Kreis Düren, gestützt auf das zustimmende Ergebnis einer Bürgerbefragung und unterstützt durch die Beschlüsse der übrigen Vertretungen von Gemeinden, Amt und Kreis, bleibt der Innenminister in seinem Gesetzesvorschlag bei der ursprünglichen Beurteilung.
Am 14.12.1971 verabschiedet der Landtag das "Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Aachen". Das am 01.01.1972 in Kraft getretene Gesetz bestimmt in § 12 die Eingliederung der Gemeinde Füssenich in die Stadt Zülpich. Gemäß § 20 des Gesetzes werden die Gemeinden Vettweiß und Müddersheim zu der neuen Gemeinde Vettweiß zusammengeschlossen. Die neue Gemeinde ist Rechtsnachfolgerin des gleichzeitig aufgelösten Amtes Vettweiß.
Die Gemeinde besteht aus 11 Ortschaften. Fast kreisförmig umgeben die Ortschaften, und zwar Ginnick, Froitzheim, Soller, Jakobwüllesheirn, Kelz, Lüxheim, Gladbach, Müddersheim, Disternich und Sievernich den zentralen Ort Vettweiß.
Im Gemeindegebiet, das 83,09 Quadratkilometer groß ist, leben zur Zeit rund 9.000 Einwohner. Die Gebietsfläche beträgt im Verhältnis zur Größe des Kreises Düren mit seinen 15 Städten und Gemeinden 9%.
In den einzelnen Ortschaften und verstärkt in Vettweiß werden den Bürgern, vielfältige kommunale Einrichtungen angeboten.
Die besondere Anstrengung der Gemeinde zur Erweiterung und Verbesserung ihrer Infrastruktur sind nach der Zielsetzung ausgerichtet, die Wohnplätze in einer umweltfreundlichen Landschaft weiter auszubauen bzw. zu gestalten. Grundlage dazu sind der Flächennutzungsplan neben einer Anzahl rechtskräftiger und noch festzustellender Bebauungspläne, diese eingebettet in die durch die Flurbereinigung geordneten Gemarkungen, Dorfentwicklungspläne und einen Landschaftsplan. Aufgrund der rechtsverbindlichen Bauleitpläne wurden die Weichen für eine kontinuierliche Fortentwicklung als Wohnsiedlungsbereich gestellt. Der Flächennutzungsplan weist in Vettweiß ein Industrie- und Gewerbegebiet aus.
Die Kanalisation des Gemeindegebietes ist fast abgeschlossen. Zur Zeit sind ca. 98 % der Bevölkerung an das Kanalnetz angeschlossen.
Für den Verkehr ist das Gemeindegebiet durch ein Netz von 12 Gemeindeverbindungsstraßen, 8 Kreis- und Landstraßen sowie die Bundesstraßen 56 und 477 gut erschlossen.
Die Reform des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen war auslösendes Moment und Ausgangspunkt für Überlegungen, das Schulangebot im jetzigen Gemeindebezirk Vettweiß den neuen gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Eines der dabei zu lösenden Probleme war die Errichtung einer neuen Hauptschule.
Am 15.06.1971 konnte mit den Bauarbeiten zur Erstellung eines Hauptschulzentrums in Vettweiß begonnen werden. Der Schulunterricht wurde am 15.10.1973 aufgenommen. Die Hauptschule Vettweiß, mit Turnhalle und Außensportanlagen, stellt sich heute als modernes und leistungsfähiges Schulzentrum dar, dass den Anforderungen, die die heutige Zeit an eine Hauptschule stellt, voll und ganz entspricht. Dem Schulzentrum wurde zwischenzeitlich die Grundschule Vettweiß räumlich angegliedert. Für die Grundschüler stehen weitere Schulen in Kelz und Müddersheim bereit.
In den Ortsteilen Vettweiß, Froitzheim, Gladbach, Disternich und Kelz stehen Zwei- Gruppen-Kindergärten, in Jakobwüllesheim ein Ein-Gruppen-Kindergarten zur Verfügung, die sich in verschiedenen Trägerschaften befinden.
In allen Ortsteilen bestehen Löschgruppen der Freiwillige Feuerwehr. Im aktiven Einsatz sind ca. 140 Feuerwehrleute. Die einzelnen Löschgruppen sind mit modernen Fahrzeugen und leistungsfähigen Löschgeräten ausgerüstet. Zweckmäßige Feuerwehrgerätehäuser stehen in Vettweiß, Froitzheim und Jakobwüllesheim zur Verfügung.
Nahezu 45 Vereine zeugen von einer regen Vereinstätigkeit. Durch die Vereine wird das sportliche, kulturelle und gesellige Leben gepflegt und die örtliche Tradition aufrechterhalten.
Viele der Vereine in den elf Ortschaften haben sich zu Interessengemeinschaften zusammengeschlossen, die neben der Koordination der Festlichkeiten ein Bürgerhaus unterhalten.
Die Gemeinde stellt den Sportvereinen Sportplätze, zum Teil mit leichtathletischen Nebenanlagen, Trainingsbeleuchtung, Umkleide- und Duschräume und zwei Sporthallen zur Verfügung, die allerdings mit dem finanziellen Aufwand der Vereine und dem körperlichen Aufwand der Mitglieder unterhalten werden.
Weiter sind im Gemeindegebiet Schützengesellschaften, Musikvereine, Gesangvereine, Karnevalsgesellschaften, Brieftaubenvereine und ein Obst- und Gartenbauverein vertreten.
Denkmäler und Schätze
Kirchen, Kapellen, Burgen, Bauernhöfe, Fachwerkhäuser, historische Grab- und Wegekreuze sind mit anderen Objekten in die Denkmalliste der Gemeinde, die untere Denkmalbehörde ist, eingetragen worden. Sie genießen damit Schutz und Vorteil des Denkmalschutzgesetzes. Mit finanzieller Unterstützung des Landes und fachlicher Beratung des Denkmalpflegeamtes können viele bau- und kunsthistorisch wertvolle Denkmäler erhalten, restauriert und für heutige Ansprüche nutzbar gemacht werden.
Erst die Auflistung durch die Denkmalpfleger brachte so recht ins öffentliche Bewußtsein, welche kulturellen Werte aus vielen Jahrhunderten überliefert wurden. Es sind insgesamt 110 Objekte, deren herausragende Vertreter die Kirchen, Kapellen und Burgen sind.
Die Ortskerne können und wollen ihre bäuerliche Vergangenheit nicht verbergen. An den Straßen stehen die alten Vierseithöfe, Backsteinbauten und Fachwerkhäuser; daneben führen die für unseren Landstrich so typischen rundbogigen Toreinfahrten zu oft verwinkelten Hofflächen. Die Scheunen und Stallungen sind zu groß oder häufig funktionslos geworden. Ihre Wände sind mit Pferdegeschirr, Karrenrädern, Dreschflegeln und anderem alten Gerät dekoriert.
Die Burgen und großen Gutshöfe, auch die Kirchen standen früher immer am Ortsrand oder noch etwas vom Dorf abgesetzt. In den Nachkriegsjahrzehnten sind rings um die alten Ortslagen moderne Siedlungen entstanden, die oft größer sind, als die Altdörfer. Wenn unsere alteingesessenen Bürger durch die modernen Verkehrsmittel mobiler geworden sind und Arbeitsplätze in den Städten gefunden haben, dann sind viele Neubürger auf der Stadtflucht zu uns aufs Land gekommen. Ein gutes Straßennetz, bequeme Fahrzeuge und die öffentlichen Verkehrsmittel machen es möglich. Unsere Ortsteile sind Freizeitdörfer geworden.
Seit dem großen Wandel in der Agrarstruktur und im Handwerk sind die Arbeitsplätze auf dem Land rar geworden. Noch zwischen den beiden Weltkriegen lebten rund 75% der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Ein nicht geringer Prozentsatz war in handwerklichen Berufen tätig. Nur der Zentralort Vettweiß mit seinen seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts bestehenden Eisenbahnverbindungen nach Düren, Zülpich und Euskirchen bildete da eine Ausnahme. Hier gab es auch schon vor dem 1. Weltkrieg 50% Industriearbeiter. Völlig anders die Verhältnisse noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts. 1802 schrieb Johann Schmidt über Geographie und Geschichte unserer Gegend z.B. über Froitzheim und Müddersheim:
"...Ackerbau, Hornvieh, Schaf- und Bienenzucht sind das Gewerbe und die Nahrungsquellen der Bewohner""... zu Möschheim ist Gebild- und Leinwandweberei."
Für Disternich und Sievernich erwähnt der Chronist: "...hier sind viele Leinwand- und Gebildeweber." Eine Statistik aus dem Jahre 1800 führt für Vettweiß, Sievernich, Müddersheim, Kelz, Gladbach und Disternich die Zahl der Handwerker auf. Neben den Webern in den Neffelbachdörfern gab es in Vettweiß einen Faßbinder, in Disternich einen Töpfer, in jedem anderen Ort einen, meist aber zwei Schuhmacher, Schneider, Hufschmiede und Stellmacher. Auffallend ist, dass die Bäcker fehlen, Brot wurde also im eigenen Backofen oder beim Nachbarn gebacken.
Noch im 18.Jahrhundert gab es in vielen Orten einen ganz intensiven Weinanbau. Dieser völlig vergessene Zweig der Landwirtschaft kam in Frangenheim, Froitzheim, Ginnick und in den Neffelbachdörfern vor. Die ältesten urkundlichen Belege dafür gibt es von 1356 für Müddersheim, 1298 für Ginnick, den Beginn des 16. Jahrhunderts für Frangenheim, Froitzheim und Disternich. Zum Ende des 18. und Beginn des 19.Jahrhunderts wurde dieser Nebenerwerb aufgegeben; die letzten Reben wurden am Müddersheimer Schloß 1816 gerodet. Wenn 1399 berichtet wird, dass in Ginnick bei 10 Winzern für den herzoglichen Hof Wein eingekauft wurde, kann die Börden- und Neffeltallage so sehr sauer nicht gewesen sein.
Jüdische Mitbürger
1933 begannen die grausamen Verfolgungen unserer jüdischen Mitbürger, deren Familien oder Glaubensgenossen seit Jahrhunderten bei uns lebten. Sie waren als Vieh- und Getreidehändler, als Handwerker und Einzelhändler bis zu dieser Zeit geachtete und geschätzte Nachbarn.
Besonders jüdische Gemeinden gab es in Lüxheim - hier betrug der Bevölkerungsanteil der Menschen mit jüdischem Glaubensbekenntnis gute 10% - und in Vettweiß. In beiden Orten gab es eine Synagoge. Entsprechend groß waren auch die Friedhöfe in Lüxheim und Kettenheim, die in der berüchtigten Reichspogromnacht 1938 ebenso geschändet wurden, wie die kleinen jüdischen Friedhöfe in Kelz und Müddersheim (Die Parzelle des Friedhofes gehörte im 19. Jahrhundert zum Territorium des Baron von Geyr, wird deshalb der Ortschaft Müddersheim zugerechnet. Der Bereich gehört heute in die Gemarkung Gladbach). In beiden Synagogen wurde damals nach wüsten Zerstörungen Feuer gelegt. Heute erinnern Gedenktafeln und Stolpersteine an diese Gotteshäuser.
Im Winter 1942/43 wurden aus unseren Dörfern die jüdischen Bürger aller Altersgruppen in die Konzentrationslager abtransportiert und dort ermordet. Nur ganz wenige von ihnen konnten sich durch rechtzeitige Auswanderung ins Ausland retten. Vierzig Jahre nach diesen schrecklichen Ereignissen erinnern nur noch die Friedhöfe in Kelz, Kettenheim, Lüxheim und Müddersheim daran, dass bei uns jüdische Menschen gelebt haben. Von den nach dem 2. Weltkrieg wieder aufgerichteten Grabsteinen zeigen viele Spuren der wütenden Gewalt, manche Schriftplatten sind durch Spitzhacken völlig zerstört, von anderen Grabsteinen ist nichts mehr übrig geblieben, das man hätte wieder aufstellen können.
Die Friedhöfe stehen heute in Obhut und Pflege der Gemeinde. Nicht nur aufgrund des "Gesetzes über die Erhaltung von Gräbern der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft", vielmehr aus Ehrfurcht und Trauer um die Opfer dieser Zeit erfüllt sie gerne diese Aufgabe.